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Nähe & Distanz

Nähe und Distanz in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen

Wertschätzung als Grundhaltung. Jeder Mensch besitzt Menschenwürde. Deshalb solltest du gegenüber deinen Mitmenschen denselben Respekt und dieselbe Wertschätzung zeigen, die du auch für dich erwartest. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beruht auf persönliche Begegnungen und daraus entstehenden Beziehung. Sie eröffnet einen Raum, in dem Kinder und Jugendliche lernen, sich zu öffnen, Nähe zu erleben und Vertrauen in sich selbst und zueinander aufzubauen. Zu erleben, dass Beziehungen stabil, wertschätzend und grenzachtend gelebt werden, ist für Kinder und Jugendliche von großer Bedeutung in ihrer Entwicklung. Besonders für Kinder und Jugendliche, die bereits Übergriffe und (sexuelle) Gewalt erlebt haben, sind solche grenzachtenden Beziehungen eine wichtige Ressource und Erfahrung.

Beziehungsarbeit ist wichtig und wird gestaltet. Unsere Beziehungen zu den Kindern und Jugendlichen werden bewusst gestaltet und sind auch von unserem Unbewussten beeinflusst. Dies kann auf verbaler, also sprachlicher, und auch nonverbaler Ebene passieren. Nonverbal durch Gesten, Mimik, Körpersprache, Körperkontakt oder sonstige Berührungen, die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorkommen. Klar ist, dass du als Gruppenleiterin und Gruppenleiter wesentlich für die Gestaltung der Beziehung verantwortlich bist. Das bedeutet, es ist deine Verantwortung, auf die angemessene Nähe und Einhaltung von Grenzen zu achten.

Nähe und Distanz orientieren sich an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen. Beziehungen werden immer im Spannungsfeld von Nähe und Distanz gelebt. Jeder Mensch hat in unterschiedlichen Situationen ein unterschiedliches Bedürfnis nach Nähe und Distanz, und das kann sich im Laufe eines Tages oder eines längeren Zeitraumes auch ändern. Um grenzachtend mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, orientieren wir uns an deren Bedürfnissen, ohne unsere Leitungsverantwortung außer Acht zu lassen. Ein guter Tipp zur Rückversicherung ist, die Kinder und Jugendlichen zu fragen, ob es okay für sie ist, beim Trösten beispielsweise in den Arm genommen zu werden. Hier ist es dann wichtig, auch wirklich auf die Reaktion zu achten: Bei Kopfschütteln oder einem Nein-Signal ist körperliche Nähe untersagt. Bei Unsicherheiten, welches Verhalten in gewissen Situationen nun angebracht ist, empfiehlt es sich, Offenheit gegenüber den Kindern und Jugendliche zu signalisieren und sie den ersten Schritt tun zu lassen.

Respekt vor den eigenen Grenzen. Kinder und Jugendliche drücken ihre Wertschätzung, Freude und Dankbarkeit nicht nur in Worten, sondern vor allem in Form von Gesten und Berührungen aus, die auch zugelassen werden sollen. Es ist aber dennoch wichtig, dass du als Gruppenleiterin und Gruppenleiter beim Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen auf deine eigenen Grenzen achtest. Kindern und Jugendlichen in einer geeigneten, angemessenen Form rück zu melden, wenn eine Geste oder Berührung zu nahe oder unpassend ist, kann auch Vorbildwirkung haben. Der richtige Umgang mit Nähe und Distanz bei Kindern und Jugendlichen kann geübt werden, indem die Wahrnehmung gegenüber den eigenen Bedürfnissen und körperlichen Signalen immer wieder reflektiert und diskutiert wird.

→ In einer Kultur der Grenzachtung nehmen Verantwortliche nicht reaktionslos hin, dass gemobbt, geschlagen, ausgegrenzt, gehänselt, beschimpft, verängstigt und eingeschüchtert wird. Eine Kultur der Grenzachtung dient nicht dem Schutz vor sexueller Gewalt, sondern ist ein Beitrag zu einer friedvollen Welt.

Quelle: „Mein sicherer Ort. Prävention in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit der Erzdiözese Wien und Intervention bei sexuellen) Übergriffen und Gewalt“, Erzdiözese Wien – Stabstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz, 2017

Nähe und Distanz in konkreten Situationen

Begrüßung und Verabschiedung. Die Grenzen jeder Person sind unterschiedlich: Für die einen gehört eine Umarmung zum Abschied von mehrtägigen Veranstaltungen dazu, für die anderen ist dies unangenehm oder zumindest wollen sie nicht jede Person, die in der Gruppe ist, umarmen. Rituale, bei denen jeder jeden umarmen muss, sind in der Regel für einzelne Personen grenzverletzend, auch wenn diese ihre Verletzung aufgrund des Gruppendrucks nicht zeigen. Leite Abschiedsrituale daher so ein, dass sich alle mit Handschlag voneinander verabschieden. Wer sich in den Arm nehmen möchte, kann dies ja trotzdem tun. Eine Umarmung zur Begrüßung oder beim Abschied passt zwischen dir und den Kindern bzw. Jugendlichen in jedem Fall nur dann, wenn die Initiative dazu von den Kindern ausgeht.

Einzelgespräche. Einzelgespräche mit Kindern/Jugendlichen finden nur statt, wenn sie pädagogisch notwendig sind und andere Mitglieder in der Leiter*innen-Runde vorab oder unmittelbar danach darüber informiert werden. Wir vermeiden es, Einzelgespräche in geschlossenen Räume zu führen.

Auswahl von Spielen und Methoden. Es ist deine Aufgabe als Gruppenleiterin und Gruppenleiter, bei der Auswahl und Durchführung von Spielen den Bereich „Nähe und Distanz“ im Blick zu haben. Körperbetonte Spiele können viel Spaß machen und die Gemeinschaft stärken. Achte aber gerade bei solchen Spielen darauf, dass niemand zum Mitmachen gezwungen oder gedrängt wird. In manchen Orten ist eine Nachtwanderung ein wichtiger Bestandteil einer mehrtägigen Veranstaltung. Für Kinder und Jugendliche ist es sicher ein einmaliges Erlebnis, sich in der Gruppe in die Dunkelheit der Nacht hinauszuwagen. Als Gruppenleiterin und Gruppenleiter orientierst du dich bei der Gestaltung an den ängstlichsten Kindern und Jugendlichen und bietest Unterstützung an, wenn sie an einer Nachtwanderung teilnehmen wollen. Jedoch: Im Dunkeln erschreckt zu werden, kann für Kinder und Jugendliche ein traumatisches Erlebnis sein und kann für sie schlimme Folgen haben. Die Teilnahme muss daher auf freiwilliger Basis geschehen und eine schöne Alternative angeboten werden.

Rituale und Traditionen. Sie prägen unseren Alltag und unser gesellschaftliches Leben. Traditionen und Rituale geben uns Stabilität und Sicherheit, sie stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Gruppe und verleihen dieser oft auch ein gewisses Maß an Einzigartigkeit. Rituale beruhen auf Traditionen und diese wiederum beruhen auf Dauer – d.h. Traditionen entstehen nur dann, wenn eine Gruppe eine gewisse Zeit zusammen ist bzw. arbeitet. Es gibt gute und weniger gute Traditionen und Rituale. Hier kann man folgende Frage beherzigen und anwenden: „Würde ich das bei mir/meinen eigenen Kindern so wollen oder nicht?“ Außerdem sollte ich mich auch bewusstmachen, dass von manchen Menschen die mir lieb gewonnenen Traditionen und Rituale als unangenehm empfunden werden können.

Prävention in der Praxis. Prävention ist kein Patentrezept, sondern eine respektvolle, wertschätzende und grenzachtende Haltung, mit der wir uns in der Pfarrei begegnen. Präventionsarbeit ist daher ein Auftrag an alle und muss von allen mitgetragen und wachgehalten werden. Diese Haltung kommt zum Ausdruck, wenn du etwa als Gruppenleiterin und Gruppenleiter dich gegen die Abwertung von Einzelnen oder von Gruppen stark machst, wenn du dich für die Mitbestimmung der Kinder und Jugendlichen im Pfarrleben einsetzt und wenn du bei Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen einschreitest. In unserer Vorbildfunktion gehen wir auch im Miteinander respektvoll und wertschätzend um und entwickeln in der Leiter*innen-Runde eine Feedback-Kultur, in der auch unangenehme Situationen besprechbar sind.

Gemeinsam Regeln erarbeiten. Gemeinsam erstellen wir Regeln, an die wir uns alle halten – auch du als Gruppenleiterin und Gruppenleiter. Wir formulieren gemeinsam Konsequenzen, wenn die Regeln missachtet werden. Diese Konsequenzen stehen im Zusammenhang mit der Regelmissachtung, z.B. Wiedergutmachung, wenn etwas kaputt gemacht wurde; wenn jemand verletzt wurde, sich entschuldigen. Jede Art von körperlicher Disziplinierung (Schläge, an den Haaren ziehen, Schütteln etc.) wie auch Ausgrenzung in Form von Eckestehen ist in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit selbstverständlich verboten.

Gewalt gemeinsam beenden. Kinder und Jugendliche können Gewalt kaum allein beenden. Sie benötigen wesentlich die Unterstützung und das Einstehen von Erwachsenen für sie. Wirksame Prävention muss daher auf vielen Ebenen ansetzen: Neben der Stärkung von Kindern und Jugendlichen braucht es vor allem informierte und sensible Erwachsene sowie Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter, die jegliche Gewalt wahrnehmen und nicht wegschauen und sagen: „Bei uns gibt es das prinzipiell nicht“. Darüber hinaus braucht es ein Aufzeigen und Bekämpfen gesellschaftlicher Einstellungen und Normen, die Täterinnen und Täter verharmlosen sowie schützen und Kinder und Jugendliche abwerten.

Quelle: „Mein sicherer Ort. Prävention in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit der Erzdiözese Wien und Intervention bei sexuellen) Übergriffen und Gewalt“, Erzdiözese Wien – Stabstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz, 2017

Wie können wir Kinder und Jugendliche stärken?

Kinder und Jugendliche sollen darin unterstützt werden, sich frei, stark und selbstbewusst zu fühlen. Dazu benötigen sie die Erfahrung, dass ihre Meinung, Ideen und Fragen wichtig sind, dass auch über schwierige und peinliche Themen gesprochen werden darf, und sie benötigen Informationen über ihre Rechte, vor allem hinsichtlich Gewalt. Wir stärken Kinder und Jugendliche durch die Möglichkeit, Konflikte konstruktiv auszutragen, und wenn sie in uns als verlässliche, grenzachtende Bezugspersonen erleben. Diese sieben Präventionssätze gelten übrigens auch für dich als Gruppenleiterin und Gruppenleiter. Du kannst sie im Behelf „Mein sicherer Ort“ im Anhang nachlesen. Außerdem findest du in diesem Behelf eine Erklärung der verschiedenen Formen von Gewalt, viele Fragen zur Selbstreflexion als auch Checklisten  für Gruppenstunden, ein- oder mehrtägige Veranstaltungen.

Die sieben Präventionsbotschaften vermitteln und leben

  1. Über deinen Körper bestimmst du allein!
  2. Deine Gefühle sind richtig!
  3. Es gibt angenehme und unangenehme Berührungen!
  4. Du hast Recht, NEIN zu sagen!
  5. Es gibt gute und schlechte Geheimnisse!
  6. Du hast das Recht, darüber zu sprechen und Hilfe zu bekommen!
  7. Die Verantwortung trägt die Täterin bzw. der Täter. Du bist nicht schuld!

Quelle: „Mein sicherer Ort. Prävention in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit der Erzdiözese Wien und Intervention bei sexuellen) Übergriffen und Gewalt“, Erzdiözese Wien – Stabstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz, 2017

Die Chance der Jungschar

Was können wir als Verein und du als Gruppenleiterin und Gruppenleiter tun? Die Chance der Jungschar liegt besonders in der Prävention. Wir alle tragen Verantwortung im Umgang miteinander. Es geht darum, wertschätzend miteinander umzugehen. Persönliche Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren. Unsere Gefühle ernst zu nehmen und zu lernen, darüber zu sprechen. Wir können Mädchen und Buben im Widerstand gegen Übergriffe und Gewalthandlungen stärken und sie ermutigen Hilfe zu holen. Ziel unserer Arbeit mit den Kindern in den Jungschar- und Minigruppen ist es, sie in ihrer Entwicklung zu begleiten und sie zu unterstützen. Als kirchliche Kinderorganisation fühlen wir uns dem Wort Jesu verpflichtet, der sich auf die Seite der Kinder gestellt hat. Wir engagieren uns dafür, dass Mädchen und Buben selbstbewusst und stark werden können. Wir stellen die Kinder in die Mitte.

Die diözesane Ombudsstelle

Als Katholischer Verein sind wir Teil der Katholischen Kirche. Unsere Diözese setzt sich für eine ehrliche Aufklärung ein. Dafür wurde 2010 die Diözesane Ombudsstelle eingerichtet. Das ist eine erste Anlaufstelle in allen Fällen beziehungsweise bei Verdachtsfällen von sexueller Gewalt und Missbrauch innerhalb der Katholischen Kirche. Ebenso gibt es eine Fachstelle für die Prävention und den Schutz von Minderjährigen. Nähere Infos und den Kontakt findest du im Downloadbereich.

Quelle: KONTAKT 4 2009/10


Zum Download

Diözesane Ombudsstelle und Fachstelle für die Prävention und den Schutz von Minderjährigen

Jungschar – ein sicherer Ort für Kinder

Finger weg – Nähe und Distanz im Minidienst

Mein sicherer Ort-Prävention in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit der Erzdiözese Wien und Intervention von (sexuellen) Übergriffen und Gewalt 

Bausteine für die Gruppenstunde:

Hau mich nicht – Bausteine für eine Gruppenstunde

Sexuelle Gewalt – was ist das

STOP NOW – Bausteine für die Gruppenstunde und Lied